Die Historie des Schulgebäudes

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Lernen in denkmalgeschützten Jugendstilgebäuden 

Schon Wilhelm von Humbold (1767-1835) erkannte: „Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft“. Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen. Wer die Gegenwart nicht versteht, kann die Zukunft nicht gestalten." 
Seit 1879 gibt es das alte Schulhaus in Schoppershof an der Bismarckstraße, die diesen Namen seit 1896 trägt. Damals war Schoppershof noch eine eigenständige Gemeinde. Der zweigeschossige Bau an der Bismarckstraße (heute Grundschul- und Hortbereich) wurde im Krieg von einer Bombe getroffen und in seinem rechten Teil zerstört. 

Der Wiederaufbau erfolgte in modernisierter Form in den Jahren 1959/1960 (wird heute „Neubau“ genannt). Dabei wurde das Schulhaus auch ein wenig nach rechts vergrößert. Im Jahr 2008 kam noch ein Anbau für die Ganztagesbetreuung hinzu, das Hermann-Kesten-Haus. Seine transparente Gestaltung will den Leitgedanken einer offenen Schule architektonisch zum Ausdruck bringen. Die Holzlamellen, die die Fluchttreppe einfassen, sollen „die notwendige Distanz zum Jugendstilgebäude“ herstellen. 
Im Wort Denkmal steckt auch die Aufforderung „denk mal“, und so könnte es immer wieder ein Anlass zum Nachdenken sein, wenn man den Schuleingang in der Welserstraße betritt – hier steht in goldenen Lettern „KNABEN-SCHULE“ - und am anderen Flügel in der Fröbelstraße finden wir den Eingang zur „MAEDCHEN-SCHULE“

Konform zu den gängigen Rollenbildern der Gesellschaft um 1900 waren diese sozusagen “in Stein gemeißelt“. Unsere Schule an der Bismarckstraße hat sich im Lauf der Jahrzehnte nicht nur baulich verändert, auch die Gesellschaft und ihre Rollenbilder haben sich verändert. So können wir heute eine offene, gleichberechtigte und vielfältige Gesellschaft in unserer Schule begrüßen. 

 

Unsere Schule ist eine Zeit-Zeugin 

Die gutbürgerliche Frau war nur Gattin und Mutter. Die familiäre Vorherrschaft hatte der “Herr im Haus“. Noch 1900 hat eine Neuauflage des Bürgerlichen Gesetzbuchs dieses Missverhältnis der Geschlechter noch einmal fest- und fortgeschrieben. Ohne die Zustimmung ihres Mannes durfte eine verheiratete Frau weder einem Broterwerb nachgehen noch über ihr Geld verfügen, noch ihren Wohnort bestimmen. Sie hatte nicht einmal das Recht auf ihre Kinder. Das Einzige, was ihr als Hausfrau zustand, war die Schlüsselgewalt über die Speisekammer.

Doch die Jahrhundertwende war eine Zeit des Umbruchs, der Reformen und der Erneuerung. Die Diskussion über den Sinn von koedukativer Schule und den „Unsinn“ der monoedukativen Bildung wurde genauso kontrovers geführt wie die Bestrebungen zur Gleichberechtigung von Mann und Frau. Koedukation als pädagogisches Programm wurde erst dann zu einem öffentlich diskutierten Problem, als die bürgerliche Frauenbewegung die Zulassung von Mädchen zum Abitur einforderte. Was seit 1893 endlich möglich war.    
Zeitgleich erwachte die Reformpädagogik. 

 Gegen die Entfremdung im Bildungssystem forderte die Reformpädagogik zu Ende des 19. Jahrhunderts eine „Erziehung vom Kinde“ aus. Dazu griff sie auf Bildungsideale der Aufklärung zurück, die sie mit einer romantisch betonten Lebensreformideologie verband. Gleichzeitig entstand die Jugendbewegung: Jugend erschien erstmals als ein eigenständiger Lebens-abschnitt; in Abgrenzung zur immer umfassenderen Industrialisierung versuchten Jugendliche, auf Fahrten ihre Sehnsucht nach Freiheit und Natur zu verwirklichen.  

 

Lernen im Märchenschloss 

In der Weimarer Republik bekamen erstmals Reformpädagogen wie Henrich Schulz, Max Greil und Gustav Wyneken die Möglichkeit, Bildungspolitik zu gestalten. Nach der Verfassung sollten „Anlage und Neigung“ und nicht die soziale Herkunft oder das Geschlecht über die Bildung entscheiden. Gleichzeitig wurden weitgehende Schritte zu einer demokratischen Erziehung gefordert. Die Trennung der Schülerschaft nach ihrer Klassenzugehörigkeit wurde für die Zeit der gemeinsamen Grundschule aufgehoben, um damit die Chancen zum sozialen Aufstieg zu erhöhen. In diesem Sinne ist unsere Schule auch ein Monument für die „neue Schule“ – eine Erinnerung, die verpflichtet. 
Auch die Architektur, ein Zeichen der Zeit. 

Bereits 20 Jahre nach seiner Fertigstellung im Jahr 1879 war das Schulhaus an der Bismarckstraße hoffnungslos überfüllt, so dass die Stadt Nürnberg, zu der Schoppershof seit 1899 gehört, einen Neubau gleich nebenan beschloss. Die Bauarbeiten dauerten von 1902 – 1904. Entstanden ist ein Gebäude, das zu Recht als eines der schönsten Jugendstilbauwerke in Nürnberg gilt – ein wahres „Märchenschloss“, wie es in Beschreibungen der Bismarckschule immer wieder heißt. Als Vorbild gilt die Elisabethschule in München. 
Im Rahmen des Nürnberger Schulbauprogramms unter Oberbürgermeister Johann Georg von Schuh entstand in den Jahren 1902/04 nach Plänen des städtischen Oberrats Georg Kuch und des Leiters des städtischen Bauamts Carl Weber neben dem alten Schulhaus an der Bismarckstraße ein modernes Gebäude im Jugendstil.  

 

Jugendstil – Ästhetik für Jedermann

Ein Juwel der Nürnberger Stadt-Architektur

Das 1904 fertiggestellte Gebäude der Bismarckschule wurde innen und außen reichlich mit Jugendstilelementen verziert. Das Gebäude ist ein Baudenkmal, eingetragen in der Liste der Bayrischen Baudenkmäler Akten-Nr. D-5-64-000-224. Der Bau aus rotem Burgsandstein weist mit Stuck und Sgraffiti um die Fensterachsen gegliederte Außenfassaden auf. Pflanzenornamente, Tiere und Fabelwesen schmücken das Gebäude. Engel grüßen mit Bibelzitaten über den Eingängen der damaligen Knaben- und Mädchenschule. Der die beiden Schulflügel verbindende Rechteckbau trägt an zwei Seiten jeweils drei Sandsteinreliefs, die die Schulfächer repräsentieren: 
Erdkugel, Turnerringe vor dem Turnerkreuz und eine Eule stehen an der Ostseite für Erdkunde, Leibeserziehung im Sinne von Turnvater Jahn und für die in der Schule zu vermittelnde Weisheit.

Kunst und Handwerk als Einheit

Die Künstler des Jugendstils streben eine Integration von Kunst im alltäglichen Leben an. Kunst und Ästhetik soll im Alltag der Menschen vorhanden und erlebbar sein. Kunst und Handwerk sollen eine Einheit bilden. Das Handwerk soll funktional sein und zusätzlich die Ästhetik eines Kunstwerks besitzen. 
Die Künstler des Jugendstils verfolgen den Anspruch, dass das Kunsthandwerk Freude bereitet – sowohl für den Handwerker wie auch für den Verbraucher. Jugendstil findet seinen Ausdruck so auch im Schulgebäude – zur Freude von Schülern, Lehrern und Eltern.

Die Aula – Ort des Miteinanders

Die Aula wurde anfangs als Zeichensaal genutzt. Der von großen Fensterfronten gesäumte und mit viel Tageslicht ausgestattete Raum war wie dafür gemacht.  Heute finden hier Feste, Veranstaltungen, Musikunterricht und Prüfungen statt. 

 

Frisch. Fromm. Fröhlich. Frei.

An der Südseite symbolisieren Pflanzengebinde, Lyra, Zirkel und Dreieck die Fächer Biologie, die musischen Fächer Musik und Kunst sowie die geometrisch-hand-werklichen Fertigkeiten. Das von Rundgauben durchbrochene Dach wird von geschwungenen Giebeln mit Türmchen und Stadtwappen und Dachreitern eingerahmt.

Mahnende Bilder  

Schule und Stadtteil werden von einem 47 m hohen acht-eckigen Uhrturm überragt. Die Außenwand an der Bismarckstraße ziert ein großes Relief mit dem Jungfrauenadler des Stadtwappens.  
Über den Gebäudeeingängen vom Schulhof wurden Märchenreliefs angebracht. Über dem Knabeneingang mahnt die Geschichte von den bösen Buben aus dem Struwwelpeter vor den Folgen von Mobbing.  
Über dem Mädcheneingang warnt der getreue Eckart die Mädchen vor den „unholden Schwestern“. Geflügelte Kröten sitzen an Dachecken, ein Fisch füllt einen Brunnen an der Hauswand. Innen wurde die Bismarckschule hochwertig ausgestattet mit Granitstufen in den Treppenhäusern, Geländern aus Jurakalkstein und Muschelkalksäulen.  

 

Zeiträume mit Perspektiven 

In den Korridoren wurden zweifarbige Fliesen in Rautenmuster verlegt. Sandsteinfriese mit jeweils unterschiedlichen Tier- und Pflanzenmotiven schmücken die Türen zu den Klassenzimmern. Ein Wappen des Oberbürgermeisters Georg Ritter von Schuh in der Aula erinnert an den Förderer des Schulbaus. Und der renommierteste Schüler unserer Schule – Hermann Kesten – hat hier sein „Denkmal“. Auch er ein Reformist, ein Erneuerer, er war als Schriftsteller einer der Hauptvertreter der literarischen „Neuen Sachlichkeit“ während der 1920er Jahre in Deutschland. Welch eine kuriose Fügung – neue Sachlichkeit, die in einem Prachtbau des verspielten Jugendstils ihre ersten Impulse bekam.

Schätzungsweise wurden in unserer Schule bis heute fast 5 Millionen Schulstunden absolviert. Welch eine Leistung des Lehrkörpers, welch ein Schatz für nachfolgende Generationen. Vielleicht 30 000 Schüler und Schülerinnen haben hier ihre „Lektionen fürs Leben“ gelernt, zigtausend Familien die Grundlagen für ihren Lebensunterhalt erhalten. Und so ist unsere Schule eben auch ein „Denkmal“ in den Köpfen derer, die ihre Kindheit und Jugend mit Mathematik, Biologie und Deutschunterricht, mit strengen Lehrern und noch strengeren Eltern hier erlebt haben.

Oft weiß man erst als Erwachsener den tatsächlichen Wert von Bildung und Erziehung zu schätzen, zu würdigen und zu nutzen. 

Damals wie heute gilt es alle Erfahrungen, alles Wissen und alle Visionen der nächsten Generation zu vermitteln – mit dem Auftrag immer wieder zu erneuern und zu optimieren.    

 

Geschichtsträchtiges Bismarckschulhaus

Während des Ersten Weltkriegs dienten Teile der Schule als Lazarett. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Unterricht wegen der Bombardierungen Nürnbergs und der Evakuierung von Schulkindern zeitweilig eingestellt. Bei der Beschießung der Stadt 1945 beschädigten Bomben einen Teil des Gebäudes und zerstörten das ehemalige Schulhaus Schoppershof. Noch heute sind im Keller Spuren jener Zeit zu finden.

Der besiegte Nationalsozialismus hat vieles zerstört, was sich über viele Jahre im Schulwesen so positiv entwickelt hat. Alle Versuche einer Demokratisierung wurden im nationalsozialistischen Deutschland zunichtegemacht. Die Erziehung war geprägt von einem Totalitätsanspruch der Führung gegenüber allen Menschen. So versuchten die Nationalsozialisten durch den Ausschluss oppositioneller Lehrer, die Vorgabe von Unterrichtsinhalten, der Bildung neuer Schultypen sowie die Erfassung der Jugend in der Hitler-Jugend und dem Bund deutscher Mädel ihre nationalistisch-rassistische Propaganda möglichst effizient zu verbreiten. Zugleich war die Diskriminierung und Verfolgung von Juden sowie der Sinti und Roma in den Schulen besonders deutlich nachzuvollziehen. 

Nach der Eroberung der Stadt besetzten die Amerikaner das Schulhaus. Der Unterricht wurde im Oktober 1945 im Schichtbetrieb wieder aufgenommen. 

Was bleibt, ist das Gelernte, ist die Hoffnung: nie wieder darf ein solches Gedankengut die Schule missbrauchen. Gelernt haben wir, dass wir nur mit Weltoffenheit, Respekt und einem humanen und demokratischen Umgang miteinander, diese Welt zu einer lebenswerten Welt machen.

Weltoffen. Inklusiv. Respektvoll. So buchstabieren wir unser WIR.